aus
dem Thüringer Wald
den geehrten deutschen
Ornithologen
bei ihrer Zusammenkunft in
Gotha
im Juli 1854
I.
Mit Jagdgeräusch, mit einem
wundersamen,
Mit Hifthornschalle, mit
Gebell der Rüden
Wird’s laut im Westen,
klingt’s in Nord und Süden,
Regt sich’s von Jägern,
Rittern und von Damen.
Die Vorwelt ist erwacht! –
Zahllose kamen,
Als ob zur Jagd sie tausend
Stimmen lüden.
Der Falke steigt, um Kranche
zu ermüden
Und Reiher, die die Flucht zum
Äther nahmen.
Doch wie? Wohin der Jobelton? Es
lauschet
Das Ohr umsonst. Im
weitgezognen Ringe
Hat andre Freuden sich die
Welt getauschet.
Die Zeit begehrt, daß andrer
Ruf ihr klinge.
Drum fragt ihr wohl, warum
noch, lustberauschet,
Vom Vogelwaidwerk ich Gesänge
bringe?
II.
Beschaut den kleinen Wildbann
nicht mit Hohne!
Wer war bei Quedlinburg der
frühe Sänger
Zum trauten Platz? Hier saß
ein edler Fänger
Beim Finkenherd, daß der mit
Lust ihm lohne.
Der Herzog Heinrich war’s! Da
säumt mit Krone
Und Königsschwerdt die
Botenschaar nicht länger.
Sie beuget sich dem
Königsschmuck-Empfänger,
Den Deutschland hob zum
größten Herrscherthrone.
So mancher müht sich wohl, daß
er beschönig’
Unedle Sucht, und hofft,
Füllhörner schütte
Das Glück ihm aus; gern wär’
er Landeskönig.
Mir aber laßt, - daß Niemand ihn
zerrütte! –
Den Drosselherd im Herbst, so
freudetönig!
Ein König bin ich schon in
dieser Hütte.
III.
Dank dir, vertraulich
Häuschen, grünbekleidet,
Mit kleinem Ofen, der den
Rauch verstecket,
Mit Tisch und Sitze, der nicht
weit sich strecket,
Und wenig Schritte nur vom
Herd mich scheidet!
in dieser engen Öffnung jetzt
wie weidet
Sich Ohr und Auge mir, da,
froh erwecket,
Der Locker Chor beginnt und,
rasch entdecket,
Hochschwebend Wild Aufschub
der Wandrung leidet!
Üb’, Herenschaar, nur deine Falkenbeize,
wie Friedrich sie beschreibt,
der hohenstaufe!
Fern der Verschwendung bleib’
ich und dem Geize.
Die Freude, Fürst, um hohen
Preis erkaufe!
Statt Falken brauch’ ich
Lockruf, Beerenreize
Und Netz, und folge nicht mit
Rosseslaufe.
IV.
Wer sagt, Natur, daß grausam
ich zerreiße
mit dir mein Bündniß, wenn von
Millionen
Der Vögel Hunderte mir sollen
lohnen
Für eine Kunst, der ich mich
gern befleiße?
Von all den Freuden, die ich
mir verheiße,
Wann Vogelschwärme fliehn nach
wärmern Zonen,
Sind nicht die kleinsten wohl
der Steg der Dohnen
und das geheime Labyrinth der
Schneiße.
O welcher reiz der
hoffnungsvollen Gänge!
Der herbst mit
fangversprechender Geberde,
Im wald’gen Grün roth
Vogelbeergepränge!
Glanzhimmel jetzt, dann Nebel,
Reif der erde,
Bunt Laub und zieh’nder
Sängerschaaren Klänge!
Was aber gleicht der Lust beim
Vogelherde?
V.
Erscheint mein Hang als
Federwild-Verderber:
So laßt nur soviel Beute mich
erlangen
Im Jahr, wie viel zwei
Tannenfalken fangen
Und was erwürgt Ein
Weibchen nur vom Sperber.
Alltäglich ziehn nach Fraß die
frechen Werber;
Ich jag’
im Herbst. Von ihnen ohn’ Erbangen
Wird jeder Zeit an Vögeln Raub
begangen;
Bring ich verlust, ist
der ein minder herber.
Drum sprechet nicht sogleich
mir von Vernichtung
Des Waldgefieders, wie wenn
aus den Fugen
Weltordnung geh’. Ihr seid mir
voll erdichtung.
So viel auch Netze Vögel
überschlugen:
Es bleiben noch in jeder
Himmelsrichtung
Millionen von den bunten,
schönen, klugen.
VI.
Gehören uns nicht Aal,
Forelle, Barbe
Und Karpfe mit den bunten
Spiegelschuppen
Und haarig Wild, das uns in
regen Gruppen
Umspringt, damit nicht mancher
Wunsch uns darbe?
Sprich, wen entzücken nicht
durch Flug und Farbe
Und Wohlgestalt und Lied auf
Bergeskuppen
Und Flur die Vögel, die nach
Wurm und Puppen
Sich bücken und nach nähr’ndem
kern der Garbe?
Nach ihnen zog’s mit dauerndem
Verlangen:
Sie waren’s, die zuerst bei
deiner Wohnung,
Zuerst um deine Kindheitgärten
sangen.
Nimm Beute dir und nimm dir
Jagdbelohnung
Aus ihrer Schaar. Doch scheuch’
der Bosheit Schlangen
Von deiner Lust. Üb’ oft auch
milde Schonung!
VII.
Und wollen dennoch allzuweiche
Seelen
Nichts sehn gefangen: auf! ihr
Mitleid trachte,
Daß Niemand mehr Hausvieh
ermord’ und schlachte
Und zahmen Vögeln schneide
durch die Kehlen.
Soll ewig denn auch Schafen
Freiheit fehlen,
Euch Ziegen? Fort! Kein Thier
gefangen schmachte!
Flieh’, mächt’ger Stier, und
Zwang und Joch verachte!
Fort mit den Rossen, Eseln und
Kameelen!
Frei mag nun Alles, Masse bunt
an Masse,
Gehn, fliegen, schwimmen,
durch einander springen,
indem mit Tötung Niemand sich
befasse.
Wird euch, Empfindsame, das
Werk gelingen,
Dann rathen wir auch: Jeder
unterlasse
Der Federthiere Fang durch
Garn und Schlingen.
VIII.
Ja, nehmet nur, ihr menschlichen
Geschlechte,
Was an den Thieren euch zu
eurem Theile
Gebührt, durch Netz und
Feuerrohr und Pfeile
Und Schleifen und durch
mancherlei Geflechte.
Ihr dürft’s euch nehmen mit
demselben Rechte,
mit dem ein Meersturm, roth
durch Donnerkeile,
Zugvögel haufenweis begräbt in
Eile.
Ihr seid der Schöpfung Herr’n,
nicht ihre Knechte. –
Rothkehlchen locken jetzt in
allen Kreisen,
Wo nur ein Dorfeszaun ist
aufgeschossen,
Wo nur ein Bächlein hüpft in
hellen Gleisen.
Hier klein Gebüsch, dort hohe
Baumkolossen
Durchstreifen stets die
immerfrohen Meisen
Und scheinen ganz des Herbstes
Lustgenossen.
IX.
Wer einen Herd, wie den, sich
zugerichtet,
Sag’: hat er auch an
Herbstgesang gewöhnte
Lockchöre, Sänger, die die
Palme krönte?
Wenn nicht: hat er auf reichen
Fang verzichtet.
Von außen mildumschattet,
weitgelichtet
Von innen sei der Strauch, der
liedumtönte,
Von Menschenhand naturgemäß
verschönte,
In wohlgewählter Gegend
aufgeschichtet.
Da plötzlich ist ein graues
Paar Grasmücken,
Auf seinem Weg verspätet,
eingeflogen
Und dieß Rotkehlchen!
Freundlich beugt’s den Rücken.
Wer wäre solcher Rothbrust
nicht gewogen?
Nach euch, ihr kleinen, will
ich hier nicht rücken.
Fliegt aus und ein und weiter,
unbetrogen!
X.
Rothkehlchen, lieblichster von
allen Sängern!
um Hütten, arm, glanzlos,
durch’s Alter graulich,
Um Prachtpaläste hüpfest du
vertraulich.
O wärest du befreit auch von
Bedrängern!
Sie sollten dir das Leben eh’r
verlängern,
Als kürzen. Stets ist
reizevoll-beschaulich
Dein Wesen, klingt dein Lied dem
Ohr erbaulich.
Rotkehlchen, freundlichster
von allen Sängern!
Die Sage spricht: Du trugst
verirrten Kindern
Einst Beeren zu, mit Blumen
dann sie deckend,
Den herben Schmerz des Todes
noch zu lindern.
Sie spricht: Du kamst, die
grünen Flügel streckend,
Zum Kerker, des Gefangnen Leid
zu mindern,
Den Weltverlaßnen neu zum
Leben weckend.
XI.
Vor Morgengrauen treibt zum
trauten Strauche
Mich mein Verlangen schon. Was
ist Beschwerde?
Mein Nacht-, mein Taggedanke
lebt am Herde.
Still heute bleibt’s, und trübe,
wie ich’s brauche.
Südwestlich weht die Luft mit
frischem Hauche.
Raubvögel, Wieseln! Gern euch
von der Erde
Vertilgt’ich. Flieht, daß ich
nicht Richter werde.
Wahrt euch vor meinem Rohr und
seinem Rauche! –
Den muß ich nennen mehr als
wahnbethöret,
Der tadelt hier im Forst mein
harmlos Treiben
Und meine Lust durch rohen
Frevel störet.
Ihr Thoren, könnt’ ich mein
Gefühl doch schreiben
In euer Herz, das nur dem Tand
gehöret,
Beneidenswerth würd’ euch mein
Leben bleiben!
XII.
Doch Niemand wähn’, als ob so
gern verführe
Mein Lied und von dem
Nützlichen und Schönen
In andern Wirkungskreisen
woll’ entwöhnen,
Damit sich Waldlust Einer nur
erküre.
O Niemand wähn’, als ob ich
Flammen schüre
Der Leidenschaft, die Fleiß
und Müh’ verhöhnen,
Umschaffend Manche zu
verlornen Söhnen,
Wegtreibend sie von
segensvoller Thüre.
Wie Schiffer nicht den Blick
von Meer und Sternen
Abwenden, sollst du nicht mit
irrem Fuße
Vom Ziele deines Lebens dich
entfernen.
Soll dir das Waidwerk sparen
Reu’ und Buße,
Mag als Beruf dein Drang es
üben lernen.
Sonst üb’ es nur in Stunden
deiner Muße.
XIII.
Was ist im Anzug, als ob ein
Gewitter
Erregte so mit einem MNal die
dumpfe
Geheime Stille, daß kein Rohr
im Sumpfe
Mehr fortzusetzen wagt sein
Blattgezitter?
Geschwind, mein Garn! Der
räuberische Ritter
Stürzt schon herbei. Die
Waffen sind nicht stumpfe,
Mit denen er sich rüstet zum
Triumphe.
Der Tod für euch, ihr Läufer,
wäre bitter.
Geschwind mein Garn! Ein jeder
Locker kauert
Sich bänglich vor dem Räuber,
vor dem alten
Stockfalken hier, auf den ich
oft gelauert.
Er ist umgarnt! – Geendet hat
sein Schalten,
Wie jeglicher Tyrann nicht
lange dauert.
Ein streng Gericht muß über
ihn ich halten.
XIV.
Waldordnung sei! Was für
gefahr und welche
Verwüstung war’s, da noch der
Geier Pfeifen
Den Forst durchgellte, da die
Flucht ergreifen
Vor Wolf und Bären mußten
Riesen-Schelche!
Laut prasselte dahin die
Schaar der Elche;
Es fielen nach zerrißne
Baumesstreifen.
Und bei des Raubthiers
grauenvollem Schweifen
Gab’s für die Menschen
allzubittre Kelche.
Wie gräßlich war’s, den
frechen Wildvernichtern
An Städten Nachts und Weilern
zu begegnen,
Den Wegelagerern, den
Wolfsgesichtern!
Und wen erfreuten Bären, die
verwegnen?
Dank der Cultur, die kam mit
hellen Lichtern!
Drum wollen wir auch
Jagdveredlung segnen.
XV.
Sieh’ da ein Eichhorn! Mit dem
kletterschuhe
Läuft’s weg am Boden, sich so
flink bewegend.
Es ist das Äffchen unsrer
nord’schen Gegend.
Zum Nest hat’s manche
zweiggewobne Truhe.
Ist’s auch gesichert vor dem
Nacht-Uhue,
Sich hoch ins Moosbett, ins
geschloßne legend,
Vorm Luchs der Luft, der
schweifet, Graun erregend,
Hat’s doch vor Tannenmardern
oft nicht Ruhe.
Welch Thierchen aber hüpft,
wie das, so munter
Im Sommer mit dem Pelz von
rothem Glanze,
und geht beim kühnsten Sprunge
doch nicht unter?
Kernspeisend hebt’s den
Schweif zum halben Kranze;
Und springt es froh
baumaufwärts und hinunter,
So singen laut die Vögel ihm
zum Tanze.
XVI.
Heidlerchen regen auch den
Wanderflügel,
Schön lullende, des Äthers Nachtigallen.
Der Reiter hört am Weg ihr
Lied erschallen
und weilt, bequem den Fuß im
Sattelbügel.
Sie suchen erst Italien. Doch
kein Zügel
Hemmt da die Vogeljagd. Als
sollten prallen
Die Sänger all’ in scharfe
Falkenkrallen,
Steht dort ein Rocolo auf jedem
Hügel.
Jetzt tötet dort zu Tausenden
der Fänger,
Wofern sein Treiben nur Gewinn
ihm schaffe,
Ohn Unterschied die groß- und
kleinen Sänger.
Mit Schlinge, Leim, Netz, Rohr
und mancher Waffe
Fängt oder schießt der welsche
Müßiggänger,
Und Edelmann und Bürger mit
und Pfaffe.
XVII.
Nicht kehren so der welschen
Mordsucht willen
Viel Tausende, die Deutschland
hat geschonet,
An alte Plätze, wo sie gern
gewohnet:
Todt sind die liederreichsten
Motacillen.
Statt ihrer hört man die
Cicaden schrillen
Im mirtenland. Wo manche Kunst
noch thronet,
Musik und Menschensang dem
Hörer lohnet,
Würgt man, um Gaumbegierde nur
zu stillen.
Italien ist trotz seinem
Blütenflore
Singvogel-arm. Jetzt aber
spannt sein langes
Schwungnetz ein jeglicher
Rocoladore.
Und kommen Vögel, voll des
Reisedranges,
Späht er mit glühn’dem Aug’
und leisem Ohre;
Und Andre freun indeß sich
andern Fanges.
XVIII.
Was gegen kein Geflügel
Meer-Orkane
Beim Zug, sowie Raubvögel,
sich gestatten,
Bis so bedrängte rettungslos
ermatten,
Wer wäre denn daruber noch im
Wahne?
Hebt aber gegen die des
Urteils Fahne
Ein ganzes Land, die viele
Gegner hatten
Schon unterwegs: dann flieht
der letzte Schatten
Von Schonung auch, zu der das
Herz ermahne.
Durch Menschlichkeit nur
werden edel-zünftig
Herdsteller. Für die Jagd und
Zeit der Hegung
Sich Grenzen ziehn, das
frommet jetzt und künftig.
Drum folge, deutsches Herz,
der edlern Regung!
Mag auch es treiben toll und
unvernünftig
Italisch Blut voll südlicher
Bewegung.
XIX.
Warum die Läufer mit den
Schwingen zucken?
O diese Schelme, wie sie sich
verstellen,
Den Lockton mildern, von
korallenhellen
Herabgelaßnen Beeren gierig
schlucken!
Es fiel ein Paar der Zippen
ein, der schmucken
Beerfresser. Doch die listigen
Gesellen,
Die Läufer, schielen, wie die
Bachforellen,
Und laden ein zum Fraß, wie
treue Glucken.
Mit zwein ist ihre Rechnung
noch nicht richtig;
Sie wünschen mehr. Auch ich.
Viel andre Gäste
An ferner Waldwand harren
stillvorsichtig.
Ihr zwei, fliegt wieder ins
Gebiet der Äste,
Damit den Schwestern schein’
ihr Fürchten nichtig
Dort auf den Zinnen ihrer
Baumpaläste.
XX.
Bewohner mancher
weitentfernten Küste
Umflattern mich. Ob diese wohl
sich wahren
Vor meinem Garn, wie vor dem
Griff der Aaren?
Vor meinem gutversteckten
Fanggerüste?
Schon hemmen manche kaum noch
ihr Gelüste
Und werden bald sich näher
offenbaren.
Doch drei, vielleicht in jeder
List erfahren,
Sie zeigen auf den Krakeln
ihre Brüste.
Sie lauern dort. Was wohl ihr
Auge scheuet?
Verborgnes Netz? die Käfige,
die Schneller?
Lockbeeren hier auf Bogen,
dort gestreuet?
Es macht Gefahr den Blick der
Vögel heller;
Und, wie das Waidwerk überall
erfreuet,
Wird viel geübt die Kunst der
Vogelsteller.
XXI.
Wie bin ich voll Vergnügens,
vor mir hadernd
In ihren Bauern an der rechten
Stelle
Die Sänger, die ich barg vor
Tageshelle
Zu Zeiten, sie mit Futter
reich begabend!
Nun sind sie, wie vom
Dämmerschein am Abend,
Versetzt ans Licht mit
morgenfrischer Welle.
Ihr Frühling ist der Herbst;
des Liedes Quelle
Strömt holder jetzt, das Herz
der Hörer labend.
Gibt’s einen Sangherd schöner,
als der meine?
Im Forst der Wandrer staunt
und spricht bedächtig:
„Sind hier der Herbst und
Frühling im Vereine?
Willkommen, froher Klang! Das
Lied ist prächtig.
Ergötzen bringts im Wald, im
grünen Scheine,
Und allerwärts im Leben
zaubert’s mächtig!“
XXII.
Mein Hüttchen zeigen nicht die
Länderkarten;
Doch rechnet’s stolz ein
Fänger sich zum Glücke,
Zu siegen über Vogellist und
Tücke
Mit Proben der Geduld, mit vielen
harten.
Schnellbäum’ und Stäbe müssen
manche Scharten
Erleiden, eh’ das Netz so
recht berücke,
So blitzgeschwind sich mit der
Beute schmücke.
O wie vergnügt das hoffen und
Erwarten!
Wie läßt beim Strauch so viel
sich schönes träumen!
Wie viele Freuden hab’ ich dir
zu danken,
Du kleiner Kreis, umstellt von
Krackelbäumen!
Wie scheinen doch so golden
die Gedanken:
Manch Drosselvolk aus fernen
Himmelsräumen
Zu bannen in des Herdes enge
Schranken!
XXIII.
Ihr Ebereschenbäume, welch
Behagen
Mit eurem Beerenpurpur weckt
ihr immer
Am Dorfespfad! Dank eurem
schönen Flimmer!
Ihr halft mir Herd- und
Schneißenglück erjagen.
Denk’ ich zurück, wie sah ich
hell euch ragen
In meinem Kindheitstraum! Ach,
euer Schimmer
Mahnt mich an Manches; ihn vergeß’
ich nimmer.
Lustfrüchte habt ihr reichlich
mir getragen.
Euch bleib’ ich zugethan. Die
gern ich hege,
Für euch nicht tauscht’ ich
Lorbeerbaum und Mirte.
Fern seid ihr meinem Strauch
und Dohnenstege.
Wenn auch ein Vogel sich zu
euch verirrte:
Wohlan, ein Mal erquick’ ihn
eure Pflege;
Schuf doch euch die Natur als
Vogelwirthe.
XXIV.
Mein kleiner Wildbann läßt mir
nicht versiegen
Lustquellen. Mir, dem Herd-
und Schneißenjäger,
Sind herbstlich viel
Aufschläge Früchteträger
Und Dohnenschleifen, die fangrecht
sich wiegen.
Vom Weiten ist das Dickicht so
verschwiegen,
Voll listiger gerader Gäng’
und schräger.
Nur Spechte schrein, die
Baumesrindenschläger,
Und Häher fern. Wo wohl die
Schnepfen liegen?
Von Herbstestagen sind nicht
günstig alle.
Was kümmerts mich? Mir bleiben
Thal und Hügel
Ein Kreis mit süßem
Vogelstimmenschalle.
Fehlt hier den Garnen kleines
Schneißgeflügel,
Gibt’s Beute fern in mancher
Schnepfenfalle,
Laufschlinge fängt dann,
Aufschlag noch und Bügel.
XXV.
Ersehnter Morgen! Wie die Vögel
streichen!
Krammsvogel lockt am Herd,
Weindrossel, Zippe;
Der Ziemer singt, die ganze
Drosselsippe
Ist laut, der Läufer gibt die
günst’gen Zeichen.
Der Jäger lauscht, der Welt,
der sorgenreichen,
Vergessend, Lächeln schwebt um
seine Lippe:
Sein Hoffen scheitert heut an
keiner Klippe,
Aus seinen Garnen gibt es kein
Entweichen.
Da kommen sieben Gäste,
schöngefiedert,
Begierig nach Geäß von
Berggeländen;
Es wird ihr Locken viele Mal’
erwiedert.
Sie fliegen ein, das Leben zu
verpfänden.
Ein Ruck! – Und, weich und
tausendfach gegliedert,
Umschließt das Netz sie mit
den langen Wänden!
XXVI.
Nur einzeln, wie am Libanon
die Zeder,
Stehn meine Krackelbäume,
wohlbeschaffen,
Der Vögel Gastsitz. Hoch mit
seinen straffen
Und glatten Zweigen winkt und hegt
ein jeder.
Ich stelle wieder,
unterlassend weder,
Das Garn zu decken, noch es
einzuraffen.
Auch soll’s nicht unten bei
den Heften klaffen.
Und weggenommen ist jedwede
Feder.
Wie Manche lassen blos das
Netz und offen,
Das grell erscheint und
schwer, wie tausendlöthig,
Und wagen Beutefülle noch zu
hoffen.
„Der Vorsicht Werk, nicht
allzusehr ist’s nöthig,“
So wähnen sie, „des Garnes
nackten Stoffen
Sind Vögel doch zu nahen gern
erbötig.“
XXVII.
Zur Schneiße wand’l ich
später. Wenn doch wüchse
Nicht so viel Raubgezücht!
wenn zum Ersatze
Der Fang doch zunähm’ und von
seinem Schatze
Nicht so viel fräßen Marder,
Falk’ und Füchse!
Doch hütet euch vor meiner
Schrotenbüchse;
Und du vor allen, so mit jedem
Platze
Im Schlingensteg vertraut,
verhaßte Katze,
Und ihr auch, Eulen, schauend,
wie die Lüchse!
Es streichen neue schöne
Luftbewohner.
Was Wunder, wenn es Völker
trieb, zu achten
Auf ihren Flug in Zeit, in
längst entflohner?
Vom Himmel kamen sie, so
schien’s, und brachten
Sie Botschaft. Schon ihr Anblick
ist Belohner.
mich freut es, Stunden lang
sie zu betrachten.
XXVIII.
Wem weissagt noch, der Mohr
der Luftpiloten,
Der Rabe dort, der, wenn die
Schlittenkufe
Im weißen Thal nacheilt dem
Rosseshufe,
Sein Krächzen mehrt in immer
tiefern Noten?
Frug Hellas nicht und Rom als
Götterboten
Die Vögel stets nach ihrem
Flug und Rufe?
Trat an ein Römer Amt und
Ehrenstufe
Achtlos, ob Unheil ihm
Auspicien drohten?
Selbst Feldherr’n mußten
Hühnern sich bequemen;
Ob Geier links, ob rechts vom
Alpenfirne
Herflogen, das entschied für’s
Unternehmen.
Mehr Weisheit suchte man im
Vogelhirne,
Mehr Hoffnung zu des Ruhmes
Diademen,
Als – in dem schönen Licht der
Menschenstirne.
XXIX.
Die Zukunft will das
Menschenkind entschleiern.
Schon frühe sog’s des Aberglaubens
Nahrung,
In leeren Zeichen sah es
Offenbarung,
Propheten selbst in Eulen und
in Geiern.
Doch läßt uns den Triumph das
Schicksal feiern:
Daß es sich aufthu’
menschlicher Erfahrung?
Es hält entfernt in ewiger
Verwahrung
Die Braut, die Himmelswahrheit,
ird’schen Freiern.
Auch Unglück ging, damit
sich’s nicht verriethe,
Und lachend Glück nach
göttlichem Beschlusse
Gern unerwartet auf dem
Erdgebiete.
Das Lebensspiel begabt hier
mit Verdrusse,
Mit Freude dort, mit Treffer
und mit Niete.
Mir heute kam der Tag mit
holdem Grusse.
XXX.
O Wanderung, das Leben so, das
halbe,
zu pilgern! Wer wohl möcht’
als nichtig wähnen
Den Trieb in Fisch,
Heuschrecken und Phalänen,
Im Lemmingheer und in dem
Meereskalbe?
O Wunderdrang der Vögel, wann
das falbe
Geknickte Laub hinsinkt mit
Thauesthränen!
O Wunderdrang in Nachtigall
und Schwänen
Und tausend andern bis zur
treuen Schwalbe!
Auch Völker wandern fort am
Pilgerstabe,
In einem bessern Welttheil
sich zu sonnen,
Doch vielgehemmt durch
Wegemüh’n und habe.
Leicht aber zu des warmen
Südens Wonnen
Trägt Vögel hin des Fluges
Göttergabe,
Und wieder kehren sie, wann
Lenz begonnen.
XXXI.
Welch Leben jetzt in einer
tausendfachen
Bewegung über mir! Die finstre
Dohle,
Die muntre Lerche reist nach
andrem Pole;
Die starken Vögel ziehn und
auch die schwachen.
Bei Mond und Sternenlicht die
Nacht durchwachen
Muß mancher Pilgerchor zu
seinem Wohle.
Ein fliegend Volk durch’s
Lüftemeer, durch’s hohle,
geht jetzt, sein eigner
Schiffer und sein Nachen.
Vom Felde steigt mit kurzgemeßnen
Schwingen
Die Wachtel selbst, damit sie
wärmer wohne;
Kein Rohrhuhn zagt, die
Wandrung zu vollbringen.
Gleich hohen Kranchen, muß
nach milder Zone
Dir, kleinster Sänger, auch
der Flug gelingen,
Goldhähnchen du mit prächt’ger
Feuerkrone!
XXXII.
Da fast nur Drosseln meinem
Garn bis Gestern
Zuflogen, die dann hingen
angeschnüret,
Was hat noch heut Meeramseln
hergerühret?
Vor Wochen fing ich drei von
ihren Schwestern.
Weindrosseln gleich sind sie
von fernen Nestern
Und gleich dem Krammetsvolk, das
bald nun spüret
Wachholderbeeren aus, wann
Frost gerühret
Den festen Boden hat und immer
festern.
Auch mancher Häh’r noch kommt,
der listig spähet
Und unverschämt mit
fraßbegier’gem Schnabel
und heimlich mir die
Schneißenernte mähet.
Die Waldung wird, der Bäume
Stadt, ein Babel
Oft durch sein Schrein. Er
komm’! Auch nicht verschmähet
Sind spät noch Seidenschwänze
trotz der Fabel.
XXXIII.
Jetzt drängen Wolken, wie die
Segelschiffe,
Die Meeresboten mit der
Waarensendung.
Doch fahren sie durch eine schnelle
Wendung
Schon auseinander, wie vor
scharfem Riffe.
Nahn wieder Vögel, dann die
Meisterpfiffe
Noch thu’ ich ganz zur
Täuschung, zur Verblendung.
Der Locke geb’ ich so noch die
Vollendung,
Tonkünstlern gleich mit
sichrem Hall und Griffe.
Ein Ziemer, einzeln dort auf
dürrem Baume,
ein schlauer, der das Garn
schon lange meidet,
Er spottet meiner Kunst,
gleich hohlem Schaume.
Mein Feuerrohr nehm’ ich, das
rasch entscheidet.
Es kracht! Und siehe, wie vom
Ast die Pflaume,
Stürzt er, der wohlverdienten
Tod erleidet.
XXXIV.
Ihr meint, die Freude komme
blos vom Fange? –
Vom Reiz der Vögel bei dem
Wanderfluge,
Voll Lust am Schönen, von des
Herzens Zuge
Zur Einsamkeit kommt sie, vom
frühen Hange.
Naturgemeinschaft, Freiheit
von dem Zwange,
Vergnügen so, Gefühle, fern
dem Truge,
Vertrauter Pfad am Berg und
Thalesbuge,
Waldruh’ mit Sonnenauf- und
Niedergange.
Und dann Erinnrung so
verlebter Stunden! –
Doch Vögel nahn. O daß kein
Unfall warne!
Sie haben auf den Strauch sich
eingefunden.
Vom Ostmeer zögt ihr gern zur
Flut der Marne
Und weiter. Still! Ihr seid
mir nicht verschwunden.
Ihr, Ziemer, flattert schon in
meinem Garne.
XXXV.
Gehörten doch anstatt der
bloßen dreißig
Zu jedem Schneißenmonat
sechzig Tage
Voll Wandervögel! – Ja von dem
Vertrage
Bereichert wär’ mein Streben
doppelt fleißig.
Wirkt auch, dem Rauche
gleichend, scharf und beißig
Oft Herbstesluft, das weckt
mir keine Klage.
Wofern nur das Gebirg kein
Schneekleid trage,
Bleibt wirthlich mir sein
balsamtragend Reißig.
Wohl Gold im Munde trägt die
morgenhora
Hier und die Mythe sagt, hier
spiel’ auch Eros.
Im Grünen schenkt viel Frohes
mir Aurora.
Mein Mahl, sowie beim
göttlichen Homeros,
Labt einfach mich im Kreis der
Waldesflora,
Als finde Sättigung ein
Griechenheros.
XXXVI.
habt ihr gehört von einem
edlen Grafen,
Der liebenswerth und
stattlich, aber blöde
Durch weichre Scham, blib,
weil behandelt schnöde
Von seiner Schönen, fern dem
Glückeshafen?
Unkenntlich selbst den Hirten
bei den Schafen,
Lebt’ er seit Jahren schon in einer
Öde,
Oft auf dem Drosselherd. Fern
war die Spröde,
Und er im erdbedeckten
Hüttchen eingeschlafen.
Sieh, eine Jungfrau, die
verirrt sich bückte
Am Herd nach Beeren, in sich
Liebesfeuer!
Der Graf erwacht, der schnell
die Garne rückte.
Der Zufall bracht’ ins Netz
das Abenteuer:
Die Spröde war’s! „Herr Graf,
sprach die Beglückte,
Gefangen hier, bin ich nun
ewig euer!“
XXXVII.
So fangen Wen’ge! – Doch in
Glanz und Reinheit
Hebt manch ein edles Bild des
Fängers Seele
Und wahrt begeisternd ihn vor
manchem Fehle
Und vor verächtlicher
Gesinnungs-Kleinheit.
Mir gehe, wer in übergroßer
Feinheit
Sich müht, daß er sein Innres
schlau verhehle,
Durch Glätte sich in Andrer
Herzen stehle!
Mir geh’, wer übet rohen
Sinn’s Gemeinheit!
Mit nichten sind im weiten
Weltreviere
Erfreulich mir dem Eigennutz,
dem groben,
Ergebne Fänger unsrer
Federthiere.
Ich will, daß sie das Schöne
fühlend loben,
Daß offne Redlichkeit ihr
Wesen ziere,
Daß sei durch die Natur ihr
Herz erhoben.
XXXVIII.
Die Städte, von der Eitelkeit bestochen,
Wie brächten sie so Freuden
zur Vereinung,
Wie dieser Strauch? Begierig
nach Verneinung
Des Wahren, möcht ihr Prunk
uns unterjochen.
Herdstellern aber hat der Wald
gesprochen
Unsäglichschön in lieblichster
Erscheinung.
Beglückt in ungestörter Herzensmeinung
Genießen sie des Herbstes
sel’ge Wochen.
Der Wald verjüngt des Bluts
erfrischte Säfte,
Verleiht es dir des Himmels
güt’ge Schickung,
zu üben da nach eignem Hang
die Kräfte.
Auf! zu der Berge langer
Zweigverstrickung!
Befreie Dich vom Druck der
Weltgeschäfte
und finde da für Leib und
Geist Erquickung!
XXXIX.
O bleibt, ihr Trägen, nur in
Haus und Gasse,
Ihr Unabhängigen, indeß ich
suche
Den Hain mit
herbstlichduft’gem Moosgeruche!
Geht eures Weges, den ich gern
euch lasse!
Flieht, Müßige, das Kalte nur
und Nasse,
Indeß sich röthen Esche, Birk
und Buche,
Und aus des Nebels zartem
Silbertuche
die Sonne grüßt die Gegend
rings, die blasse!
Im grünen Wald hat mir die
frohsten Stunden
Geschlagen einstens meine
Lebensglocke
Und frühr da mich manchem Wahn
entbunden.
Mir ist, als ob des Herzens
Ader stocke,
Wenn ich gedenk’, es sei der
Wald verschwunden.
Drum lieb’ ich so das
Vogelherdgelocke.
XL.
Die Wälder, o die Wälder,
hornumklungen!
Froh Jagen! rotes Wild! – O
mir zerdrücke
Kein bös Geschick die Frucht,
die hier ich pflücke!
Die Wälder haben mir so schön
gesungen.
Wie mährchenhaft, wie
träumerisch verschlungen!
Sie baum noch zu der
menschheit altem Glücke
In grüner Herrlichkeit die
Zauberbrücke,
Noch redend mit der Dichtkunst
süßen Zungen.
Die taube Welt bleibt in des
Wahnes Banden.
O trage nur zum Hain das Herz,
das volle,
Wenn du nicht wirst im
Lebensbraus verstanden.
Waldbäume, bei dem
Silberquellgerolle
Hoch über sammtnem Moos mit
Laubgewanden,
Euch nah’ ich stets mit stillem
Dankeszolle!
XLI.
Im Wald, im Wald ist Wonne,
Im lieben Wald ist Leben,
Wächst auch die Frucht der
Reben
Hier nicht für unsre Tonne!
Wann kommt und geht die Sonne,
Wie läßt sie, prachtumgeben,
Hier Himmelsrosen schweben
Um jede Baumkolonne!
Fort grüne! Nie zerstiebe,
Du meilenlange Laube,
Mehr’ alle Knospentriebe!
Im Walde ruft die Taube,
Wohnt noch die frohe Liebe,
Wohnt noch der fromme Glaube.
XLII.
Mädchen, o schau!
Lenz ist im Haine; von Zaubern
umflossen,
Prangen die Blumen und,
silbern ergossen,
Blitzet der Thau.
Mädchen der Au!
Hast du der Stunden im Grünen
genossen?
Freundin, es wehet in Zweigen
und Sprossen
Sommerlichlau.
meidest du Lust, was vermag zu
vergelten?
Holde Gestalt!
Herbstlich erglänzt es in
waldigen Zelten.
Siehst du wie bald
Vögel entfliehen nach anderen
Welten?
komm in den Wald!
XLIII.
Und du, seitdem die
Heidengötter flohen,
Berühmt durch Sage, Lied und
Glaubenswunder
Und Burgruinen, - Epheu,
Berghollunder
Sproßt um die Vorzeitreste
nun, die hohen, -
Mein Thüringen! Die
Morgenröthen lohen
So schön um dich, voll
lieblicher und runder
Berghöh’n, du liegst in Kraft,
in kerngesunder,
Vor meinen Blicken da, vor
meinen frohen.
Wo Adler noch sich einzeln
freun des Mahles,
Bleibt dir das immer Frische,
Jugendliche,
im grünen Prunk des hohen
Wäldersaales.
Wo fänd’ ich auswärts wohl,
was ich vergliche
Dem Reiz der Berge meines
Heimatthales
Auch jetzt im Herbst beim
Vogel-Wiederstriche?
XLIV.
Ich denk daran, wie mich es
einst erfreute
Als Knaben, wann die Schneißentage
kamen,
Wann hing der Sprenkel, wann
der Erle Samen
War reif und röthlich Laub die
Birke streute.
Ich weis, wie mich beglückt
hat kleine Beute,
Sowie den Fischer, wann sich’s
regt im Hamen. –
Ihr Plätze meiner Freuden, o
mit Namen
Euch alle kann ich nennen noch
bis heute!
Jüngst sah ich viele Vögel,
wie mit Blindheit
Geschlagne, Meisen, Häher,
Drosseln hangen
Gefesselt durch des
Schneißenbands Geschwindheit.
Und wieder da mit
sorgloshellem Prangen
Die hoffnungsreichen Tage
meiner Kindheit
Sind alle mit mir durch den
Wald gegangen.
XLV.
Krammsvögel! Horch! Die ersten
im Reviere,
Die dieß Jahr ich vernahm! Der
hohe Norden
Hat sie geboren, wo bei wilden
Horden
Der Winter schwingt die langen
Schnee-Paniere.
Auch sind dabei Weindrosseln. Schöne
Thiere!
Ihr alle trautet schnell den
Lockaccorden.
Gefangen seid ihr schon und
mein geworden! –
manch’ Völkchen kommt noch,
das den Herd mir ziere.
Ihr seid vielleicht dort unter
dem Arcture
Auf manchem Baum Lithauens
ausgebrütet,
An welchem bohrt das Horn der
wilden Ure;
Vielleicht auch, wo Sibiriens
Zobel hütet
Die Jungen, unter kält’rem
Luftazure,
Und wo des Winterwolfes Hunger
wüthet.
XLVI.
Hat Lappland, euch,
Weindrosseln, uns gesendet?
Schwammt ihr in Lüften her aus
jenem Kreise,
In welchem scheint vom ew’gen
Meereseise
Der Erde Ring dann oben ganz
geendet?
Den Hütten, denk ich, fast ihr
zugewendet,
Wo Schneeschuh’ ihr Bewohner
nimmt zur Reise;
An Höhen lebet ihr, wo bahnt
sich Gleise
Das Rennthier und den einz’gen
Reichthum spendet.
Ihr saht die Robben, voll von
dichtem Öle,
An Küsten oder tief im Wald
das Jagen
Nach Vielfraß, Elk und Bärin
bis zur Höhle?
Woher? Wohin? Das wären solche
Fragen,
Die zur Beantwortung ich gern
empföhle
Euch und der Schaar, die folgt
in diesen Tagen.
XLVII.
Euch Allen Gruß, die jetzt,
wie ich durch meine,
Durch ihre Fangbegierde sind erhitzet,
Euch, deren Schaar in hundert
Hütten sitzet
Im deutschen Wald vom Haff bis
zu dem Rheine!
Nicht weis ich, wo euch liegen
Netz und Leine,
Wo Herdespfähl’ euch wurden
zugespitzet,
Wo, Jäger, euer Aug’ aus Luken
blitzet.
Nehmt Händedruck im Geist beim
Morgenscheine!
Manch Abenteuer, mancher Lust
Geschichte,
Auch manch vereitelt Hoffen
könnt ihr nennen
Aus eurem reichen Schatz der
Fangberichte.
Wenn uns auch noch so viele
Räume trennen,
Uns Nebelwände scheiden, noch
so dichte,
Verstehn wir doch uns, ohn’
uns selbst zu kennen.
XLVIII.
Vor Allen Gruß in Ziebigk’s
Thalesgrunde,
Mein Naumann, dir, der
mit dem großen, treuen,
Prachtvollen Werke wußte zu
erfreuen
Sein Deutschland: mit Europa’s
Vogelkunde.
Du brauchtest, mit dem Vater
früh im Bunde,
Nicht manchen Gang zum Herde
zu bereuen.
Dein Name leb’ im Lied, im
immerneuen.
Rastloser mit dem reichen
Wissensfunde!
Du selbst, der Vögel Zeichner,
unermattet,
Du selbst, ihr Kupferpräger
mit der Nadel,
Du selbst hast sie mit Farben
ausgestattet!
Ihr Bildniß prangt durch dich
nun ohne Tadel.
Und du, dem Wissen schön und
Kunst sich gattet,
Du liehst dem Vogelwaidwerk
höhern Adel.
IL.
Und gern auch denk’ ich deines
großen Strebens,
O Brehm, der früh
entflammt auf schöner Aue
Von edler Glut, im weiten
Tempelbaue
Der Weltnatur geforscht, und
nicht vergebens.
Wie liebtest du die Thiere,
die des Schwebens
Sich freuen bishinauf zum
Ätherblaue!
Und schallend flog der Ruhm
von Gau zu Gaue
Von deinem Kennerthum des
Vogellebens.
Auch dich, gepriesner Lenz,
mit klarem Lichte
Des Geistes so gemüthvoll,
grüß’ ich? – Wessen
Schrift-Werk hat deine
Wahrheit, deine schlichte?
Doch wer, mein Bechstein,
kann dein Lob vergessen,
Dein groß Verdienst um die
Naturgeschichte? –
Dich, Gotha’s Zier einst,
decken fern Cypressen.
L.
Mein väterlicher Freund einst,
wenn doch flöge
Nicht so die Zeit, und
Mancher, schön erprobet,
Den seiner Werke Werth als
Meister lobet,
Nicht so geschwind zur Gruft
ins Dunkel zöge!
Zu dem ich, weckend, gern mich
niederböge,
Sein Grab besucht, die ihr
euch hoch erhobet,
Zug-Sänger! Bäume, wann es
stürmt und tobet,
Schützt jenen Ort, wo sanft er
schlummern möge!
Und Jedem Preis, nahm er zum
Forscherziele
Die bunte Schaar, die schnell,
wie Geister, Trennung
Und Wiederkehr bewirkt durch
Wunderkiele!
Die Mitwelt ehr’ ihn und noch
spät bei Nennung
Des Namens zoll’ ihm für der
Mühn so viele
Die Nachwelt Dank in lauter
Anerkennung.
LI.
Da drüben ragt mit seinem
Friedensteine
Die Herrscherin, die Stadt;
und Viel zu sagen
Weis sie von alter Häuser
Rühm. Ihr tragen
Bergwasser zu die Apfelstädt
und Leine.
Doch ist’s von ihren Wohnungen
nur eine,
Nach welcher jetzt hier meine
Blicke fragen:
In dieser stand, - es war in
frühen Tagen, -
Die Wiege Dessen, den ich
ehrend meine.
Seitdem entflog mit seinen
Zeitentänzen
Ein ganz Jahrhundert. Doch mit
mächt’gem Horte
Der Wissenschaft sehn wir den
Mann erglänzen.
Im Geiste tret’ ich zu des
Hauses Pforte,
Sie für den Vielgerühmten noch
zu kränzen;
Und „Blumenbach!“
ertönt’s von Ort zu Orte.
LII.
Kreuzschnäbel hör’ ich fern!
Hat nicht gelogen
Die Sage, wart ihr bei dem
bittern Leide
Des Heilands, als der Vorhang
riß von Seide
Im Tempel und die Wolken
schreckend flogen.
Ihr habt aus blut’ger Stirn
dem Herrn gezogen
Die Dornen von der Kron’, der
Augenweide
Des Spottes, dort auf
Golgatha, bis beide
Der Schnabelspitzen endlich
krumm sich bogen.
„Verwesen sollt ihr nicht, der
That zum Lohne;
Die Waldung biet’ euch nie das
Futter spärlich!
So sprach gerührt der Herr mit
mildem Tone.
Selbst rauher Winter bleib’
euch ungefährlich.
Da sollt allein ihr nisten.
Wenn ich wohne
Längst höher, kommt nach
Golgatha noch jährlich!“
LIII.
Wer dachte, daß ein Fürst hier
ein noch kehre?
Zaunkönig! trachtest du nach
hohen Dingen,
Wie damals, als den Adler Bäum’
umfingen?
Wie saß er, prunkend mit der
Königsehre!
Du flogst auf seinen Rücken
ohne Schwere,
Ja, du begannst, aus voller
Brust zu singen,
Sobald du sahst ihn hoch und
höher dringen,
Fern dieser Welt, in
ätherblaue Leere.
Ergrimmt, daß auf ihm Einer
Solches wagte,
Fuhr blitzgeschwind der Aar
zur Erde nieder.
Fest aber hieltst du dich, der
Unverzagte.
Mit Jubel grüßte dich das
Waldgefieder
Als König, dich Zaunschlüpfer
sonst, und sagte:
„Sing’ nun im Lenz und Winter
Königslieder!“
LIV.
Du bist mir lieb seit meinen
Kinderzeiten.
Kein Vogel hat, worüber oft
ich staune,
Wie du, so frohe, niegetrübte
Laune,
Mag dunkel oder hell der Tag
entgleiten.
Wie schön erscholl es, wenn du
sangst vom Weiten
Auf Häusergiebeln und im
Dorfeszaune,
Du, der mit Purpur überglänzte
Braune,
Des Knaben Lust bei
Frühlingsherrlichkeiten!
Dein sanftes Lied bleibt mir
idyllisch-reizend,
Mir, der ich einer bin der Waldessöhne,
Nach, rauschenden Weltfreuden
nimmer geizend.
Wie keck du, Kleiner, bist,
den Niemand höhne,
Den Fächerschwanz, oft in die
Höhe spreizend,
Mein Zaunfürst hier in
liebenswerther Schöne!
LV.
Wie viel auf Jugendeindruck
doch sich gründet!
Der kann des blauen Meeres
nicht vergessen,
An Bergeshöhn denkt Jener
unterdessen,
Ein Andrer an den Wald, zum
Dom geründet.
Den zieht’s zum Strome, der im
Landsee mündet,
Wo Keltern Most aus süßen
Trauben pressen,
Der, wo der rothen Äpfel er
besessen
Zuerst, zu Gärten, stets ihm
noch verbündet.
An arme Plätze, doch erinn’rungsgolden,
In Ebnen treibt’s uns hin mit
altem Muthe,
Zu dürft’gen Hütten neben
Fliederdolden.
Froh kehret da mit dem
Erinnrungsgute
Der Geist, mit Bildern uns,
mit lieben, holden,
Wie mir am Herde jetzt, in der
Minute.
LVI.
Mit einem Freunde, welcher bei
mir gastet,
Theil’ ich, wie Köhler
wirthlich, gern mein frisches
Getränk, den Speisevorrath
meines Tisches,
Erfreut, wenn meines Gastes
Mund nicht fastet.
Zwar wird die kleine Tafel
nicht belastet
Vom warmen Fleisch des Hafen
und des Fisches;
Doch trotz des Mangels seltnen
Speisgemisches
Hat mancher Morgen lang bei
mir gerastet.
Mir saget mancher Freund: „Vom
Weltgezänke
Bist du getrennt hier und von
mir beneidet.
Hier trafetasten dich nicht an
die Lebensränke.
Er sagt: Wie vortheilhaft doch
unterscheidet
Sich dieser Raum, umfassend
solche Bänke,
Von manchem Haus, das Freuden
uns verleidet!“
LVII.
Heut ist ein Morgen, den sich
Wen’ge mochten
So zu träumen. Wieder ist ein
ganzes Dutzend
Der Zippen dort, den kecken
Schnabel putzend,
Mit dem sie unter sich ihr
Recht verfochten.
Sind diese bald auch meine
Unterjochten?
Noch sitzen sie mir fern, ein
wenig stutzend.
Doch locken will ich sie, die
Ruhr benutzend.
Von ihr wird mancher Vogel
trugumflochten.
Schon eingefallen? Gütlich!
Auch die letzten
Sind auf dem Herde, diesem
recht zum Schmucke,
Die Schnäbel füllend, die
zuvor sie wetzten.
Daß mancher nur nicht
allzuviel verschlucke!
Jetzt! – Die Minuten lang sich
widersetzten,
Ich habe sie mit diesem Einen
Zucke!
LVIII.
Ja, Zauber ist’s, wann ich
nach Beute spanne
Hier meine Segel, die geheim
sich dehnen,
Umklungen, wie von Stimmen der
Sirenen!
Und Zauber angethan ist mir,
dem Manne.
Luftpilger zogen wieder ein im
Tanne
Und Lockgesang weckt
unbezwinglich Sehnen,
Wie Frühlingstraum, in diesen
und in jenen
Und ruft sie näher schon zu
meinem Banne.
Die so des Wegs nach Asien
vergaßen,
Allzugeneigt dem Beer- und
Ohrenschmause,
Sie zwing’ ich nieder von den
Himmelsstraßen.
Einsiedler bin ich Morgens in
der Klause
Und Schwinger, die, zu nahn
mir, sich vermaßen,
Nehm’ ich zu Nutz und Frommen
mit nach Hause.